Haushaltsrede 2022 der GRÜNEN

24.02.22 –

Stau, Stau, Stau, wohin wir auch schauen

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und der Presse, sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeister,

zunächst danke ich der Verwaltung allen voran Herrn Eberhardt für die sorgfältige und verständliche Darstellung dieses Haushalts 2022.

Unsere Haushaltsrede im letzten Jahr stand unter dem Motto „Entschlossenheit, Mut und Zuversicht“. Nach sorgfältigem Studium des vorliegenden Haushaltes und der Erkenntnis was diesen Haushalt frei nach Geoethes Faust „im Innersten zusammen hält“, können wir davon leider nichts entdecken. Heuer kam mir stattdessen der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower in den Sinn, dem der Satz zugeschrieben wird: „Kein weiser oder tapferer Mensch legt sich auf die Schienen der Geschichte und wartet, dass der Zug der Zukunft ihn überfährt.“ Doch genau das sollen wir tun, meine Damen und Herren.

Denn während wir finanztechnisch im schnellen Sportwagen auf die Wand zurasen – im Vergleich zum letzten Jahr wird hier mit kreditfinanziertem Sprit noch einmal ordentlich Gas gegeben – fordert uns dieser Haushalt, frei nach Eisenhower, dazu auf, klimapolitisch den Kopf Schienen der Geschichte zu legen und zu warten, dass der Zug der Zukunft uns überfährt. Es ist ein Haushalt des sprichwörtlichen Klimastaus und des CO2-Ausstoßes, der nur in sehr homöopathischen Dosen Klima, Natur und Umwelt schützt, weshalb ihn die GRÜNE Fraktion geschlossen ablehnen wird.

Meine Damen und Herren, unser Haushalt für das Jahr 2022 ist auf geliehenem Geld gebaut. Wir wirtschaften im Grunde genommen über unsere Verhältnisse.

Die Vergütung des qualifizierten Personals in unserer Verwaltung in Stadtbergen, die Bereitstellung von gesetzlich vorgeschriebenen Kindertagesplätzen mit Betriebskosten und wiederum Personal, der laufende Betrieb unseres Gartenhallenbades, die Unterstützung der Feuerwehren und der vielen Vereine übersteigen um 2 453 000 Euro die laufenden Einnahmen, die wir durch Steuern, Umlagen und Gebühren generieren können. Wie wollen wir dieses Minus ausgleichen?

Dieses strukturelle Defizit unseres Haushaltes ist jedoch nicht neu. Auch in den Jahren vorher war der Haushalt so gestrickt, dass aus den laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht zu bewältigen waren.

Die Pandemie hat mit den Ausfällen in Einkommens- und Gewerbesteuer den Geldhahn noch weiter zugedreht und die missliche Lage verschärft.

Hier muss umgesteuert werden. Das Argument, es wäre die vergangenen Jahren auch immer schon so gewesen – ein „des hammer scho immer so g’macht“, kann uns GRÜNEN nicht die Begründung für die Zustimmung zu diesem Haushalt sein.

Denn, meine Damen und Herren, wir müssen im Auftrag der Bürger und Bürgerinnen in Stadtbergen genau hinsehen und Maßnahmen ergreifen, die uns das Loch im Geldbeutel schließen lassen. Wirtschaften auf Pump darf keine Option sein. Einen laufenden Betrieb über Kredite zu decken ist nicht dasselbe wie der Bau eines notwendigen Gebäudes über entsprechende Baudarlehen.

Ein leere Kasse ist eine leere Kasse. Wir sind nicht dafür gewählt unseren Bürgern und Bürgerinnen einen vermeintlich ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, der auf die Kreditaufnahmen zur Finanzierung laufender Ausgaben nicht hinweist.

Schauen wir also genauer hin. Leider ist dieser Blick nur sehr eingeschränkt möglich, denn die genaueste Lupe dafür, die Haushaltsabschlüsse der Jahre 2014 bis aktuell sind nicht vorhanden. Die Behebung dieses Missstandes haben wir GRÜNE bereits im vergangenen Jahr gefordert. Und dennoch gibt es auch heuer wieder keine Möglichkeit die Gesamtfassungen der Jahresabschlüsse zu betrachten, denn sie sind nicht vorhanden. Die Rechtsaufsicht im Landratsamt hat die Stadt bereits gemahnt, diese Abschlüsse endlich fertig zu stellen. Sehr geehrte Damen und Herren, warum lassen wir uns nicht helfen und bringen die Haushaltsabschlüsse auf den aktuellen Stand? Denn wir möchten bis spätestens zum Ende unserer Ratsperiode 2026 auch den Abschluss vom Haushalt 2025 vorliegen haben.

Heute müssen wir andere Parameter heranziehen um uns eine Meinung zu bilden. Es bleiben Teil- und Einzelbetrachtungen.

Welche laufenden Kosten haben im Ringen um einen wirklich ausgeglichenen Haushalt besonderes Gewicht?

Das Gartenhallenbad lassen wir uns 1 Millionen Euro jährlich kosten. Es ist sehr beliebt bei den Bürgerinnen und Bürgern und bei Vereinen und Schulen. Kinder müssen wieder richtig schwimmen lernen war und ist immer wieder in der Presse zu lesen. Bundes- und Landespolitik verweisen dabei gerne auf die kommunalen Schwimmbäder. Aber sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen in Bund und Land: Dann fördert diese auch. Schickt uns Geld, damit wir hier vor Ort nicht daran Pleite gehen. Denn wir wollen den Preis für die Badegäste nicht auf Thermenniveau heben und für 2 Stunden Aufenthalt 20 Euro Badezins verlangen müssen. An dieser Stelle bitten wir Sie Herr Metz, unsere Kommune mit anderen Bäderkommunen zu vernetzen und bei Land und BUND entsprechend vorstellig zu werden. Wir GRÜNE haben uns an unseren Landtagsabgeordneten Max Deisenhofer gewandt und diesen um Unterstützung gebeten.

Plätze in Kindertageseinrichtungen muss die Kommune seit einigen Jahren zur Verfügung stellen. Unsere Kinder müssen uns wichtig sein. Das ist gut so, schöne Orte für die Kleinen mit qualifiziertem Personal geben unserer Stadt und ihren Menschen eine Perspektive für die Zukunft. Aber der Preis, den wir dafür bezahlen, ist zu hoch. Unterstützungen und Förderungen zu niedrig.

Der Erhalt der Straßen in der Stadt Stadtbergen ist nach der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ebenfalls Aufgabe der Stadt. Auch hier wird ½ Million Euro investiert.

Nun waren wir gemeinsam im Stadtrat auf der Suche nach Gebieten innerhalb Stadtbergens um einheimisches und zukunftsfähiges Gewerbe anzusiedeln und Einnahmen zu generien. Diese von Herrn Biedermann aufwendig zusammengestellten Möglichkeiten wurden nicht weiter diskutiert. Obwohl die vorgeschlagenen Flächen unser Motto „natürlich, nah dran“ am wenigsten gefährdet hätten und große Randflächen erhalten geblieben wären. Auch hier befinden wir uns nach anfänglich flottem Beginn in einem Stau.

Gleichwohl fordert die Zeit der Klimakatastrophen unendlich vielmehr Grün als Beton. Und genau an dieser Stelle geht das Finanzdilemma erst richtig los. Wir müssen uns bei jedem „Weiter so“ fragen, was wir unseren Kindern und deren Kindern in der Zukunft präsentieren. Jede unserer Entscheidungen hat Folgen für morgen, übermorgen und überübermorgen.

Wir werden uns deshalb schon heute prüfen lassen müssen, was wir dem Klimawandel und dessen Folgen entgegen setzen, wie wir nachhaltig wirtschaften und uns um eine lebenswerte Zukunft bemühen. Dafür gilt es Antworten zu finden, Projekte zu entwickeln, zu Handeln. Das erfordert finanzielle Mittel - jetzt - sofort.

Diese Mittel finden sich nicht in ausreichendem Maße in diesem Haushalt. Ja, es einen Klimamanager geben und ja es wird eine Klimastudie erstellt. Darüber freuen wir GRÜNE uns sehr und sehen uns am Beginn eines langen Weges zur Klimaneutralität Stadtbergens 2030. Ein ganz kleiner Anfang ist geschafft, aber wir warten seit dem seit dem Stadtratsbeschluss vom 30.09.2021 - also seit knapp einem halben Jahr auf weitere Schritte. Wo bleiben weitere diese? Auch hier befinden wir uns im Stau – im „Klimastau“.

Die Ausgaben für oder wegen des Klimawandels beschränken sich in diesem Haushalt ansonsten auf die Pflege der Grünstreifen, auf eine moderne Heizung in einem Neubau (mal ironisch nachgefragt: hätten wir sonst eine alte Ölheizung eingebaut?), auf einige wenige städtische PV-Anlagen. Aus diesem Haushalt sind die vorderste Zielsetzung Klimaschutz und alle Bemühungen dazu nicht zu erkennen.

Im Haushalt wird lieber viel Geld für die Behebung jeder Straßenunebenheit zur Verfügung gestellt und damit CO2 in die Luft geblasen und Geld im versiegelten Boden versenkt.

Wo sind beispielsweise die 250‘000 Euro, die wir bei unserer Klausurtagung im vergangenen Jahr für den Klimawandel bereitstellen wollten? Nicht im Haushalt zu finden! Welche Spielräume hätte eine Klimamanagerin bei uns finanziell? Nicht zu finden! Wie setzen wir die Ergebnisse einer Klimastudie um? Nicht zu finden. Auch nicht in den Folgejahren.

Die Klimastudie selbst ist auch noch gar nicht ausgeschrieben. Nach dem Klimabeauftragten wird auch noch gar nicht gesucht. Und bei allen diesbezüglichen Nachfragen, Projekten und Anträgen von Stadträt*innen und Bürger*innen wird seit Monaten und bei jeder Nachfrage darauf verwiesen, dass erst die Klimastudie fertig sein müsse. So, meine Damen und Herren, geht das nicht.

Schon wieder wie auch im vergangenen Jahr schaffen wir keine konstruktive Auseinandersetzung um die notwendigen Veränderungen im Haushalt. Im Haushalt wird sichtbar, dass alles so bleiben soll, wie es ist, Klimaschutz ist anscheinend nicht wirklich auf unserer Stadtratsagenda. Einzig und allein die Anträge von uns GRÜNEN haben sich im vergangenen Jahr 2021 mit Klimaschutz beschäftigt.

Statt ernstgemeinter Ideen bekommen wir GRÜNE ständig den Vorwurf, dass unsere Vorschläge Geld kosten würden. Ja, Leute, für das Versenken eines Flaschensammelcontainers hätte auch Geld sprichwörtlich werden sollen. Dafür wäre dann offenbar welches vorhanden gewesen.

Wir als Stadtrat hatten uns im vergangenen Jahr vorgenommen die Debatte um ein gerechteres Förderwesen der Vereine zu kümmern, wir hatten vor über die kostenpflichtige Nutzung unserer Veranstaltungsräume nachzudenken um hier Einnahmen zu generieren. Zur Mehrzweckhalle war bereits 2014 der Mehrzweck versprochen und unseren Bürgerinnen wurde auf der damaligen Bürgerversammlung explizit von den vielen Möglichkeiten für Großveranstaltungen vorgeschwärmt, die dort stattfinden könnten. Wie viele Großveranstaltungen haben – Corona mal ausgenommen – dort bisher stattgefunden? Wie viel Geld ist dadurch in das Stadtsäckel geflossen? Wie soll sich die Halle in Zukunft finanzieren? Auch hier Stau, Stau, Stau.

Veränderungen in der Nutzung des Hallenbades mit Freiluftkino, längeren Öffnungszeiten, Saunainseln. Das alles haben wir angedacht, aber auch hier sind keine weitergehenden Überlegungen zu verzeichnen. Die Begründung ist, dass man nur bei vollem Betrieb über dessen Nutzung nachdenken könne und der Badebetrieb sei derzeit eingeschränkt sei. Wieder fehlen uns verlässliche Zahlen aus vergangenen Jahren bzw. die Einnahmen, die ja in den vergangenen Haushalten verzeichnet sein müssten.

Am Rande sei erwähnt, dass auch soziale Projekte, die unserer Bürgerschaft gut tun würden, wie beispielsweise die vom Seniorenbeirat geforderte Freiwilligenagentur wegen der fehlgeleiteten Ausgabenpolitik zu scheitern drohen.

Wir lassen alles beim Alten und nehmen stattdessen Kredite auf. Unsere Bürgerinnen und Bürger fordern von uns eine klare Zielsetzung. Unsere Ziele sind dabei klar: Die Stadt muss in ihrer Verwaltung bürgerfreundlich und effizient sein, die rechtlichen Vorgaben wie z.B. Kita- und Hortplätze zur Verfügung zu stellen müssen erfüllt werden, und das Klima ist bei alldem und allem anderen zuvorderst zu schützen. Jetzt. Sofort. Hier müssen wir den Kopf von der Schiene erheben, ins Führerhaus des Zuges in die Zukunft einsteigen und ordentlich beschleunigen.

Und ganz abgesehen von diesem Haushalt ist manchmal die mentale Veränderungssperre in diesem Rat so groß, dass nicht einmal kostenfreie Projekte, die Pflanzung eines Waldes, die vorrangige Nutzung des bereits vorhandenen Elektrofahrzeugs, die Nutzung kommunaler Dächer für bürgerfinanzierte Photovoltaik, die Nutzung von Holz anstelle konventioneller Bauweise Beifall finden.

Sehr geehrte Damen und Herren, der CDU-Politiker und ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Manfred Rommel, hat einmal gesagt: „Eine Stadtpolitik, die nicht den Mut zur Veränderung besitzt, kann gleich sich selber auf dem eigenen kommunalen Friedhof beerdigen lassen.“ Die GRÜNE Fraktion lehnt deshalb geschlossen diesen Haushalt des finanzpolitischen „Weiter so`s“, des CO2-Ausstoßes und des Klimastaus in der vorliegenden Form ab. GRÜNE Ziele sind darin nur in sehr homöopathischen Dosen zu finden. Die uns bedrohende Klimaveränderung wartet nicht bis wir unsere Straßen ausreichend gepflegt haben.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

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