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26.02.21 –
Bezug genommen wird auf die Präsentation von Herrn Architekt Seiler, die dem Stadtrat zur Verfügung gestellt wurde.
Schon eine kurze Internetrecherche ergab, allein die Augburger Holzhaus GmbH hat 3 MFH auf seiner Homepage (in Mammendorf, Ottmarshausen, Hirbling); Lattke Architekten aus Augsburg eine Wohnanlage in Nördlingen. Aktuell entstehen medienwirksam ganze Projektparks in München und Hamburg. Der Prinz Eugen Park in München, eine Holzbausiedlung mit 566 Wohnungen auf 7 Baufeldern (teils Hybrid, teils reiner Holzbau) und „Roots“ in Hamburg mit einem 18 Stockwerke hohem Turm in Holzbauweise (Rubner Holzbau Augsburg) oder das höchste Holzhaus im Allgäu in Kempten mit 21 Mietwohnungen, wo selbst Treppenhaus und Aufzugsschacht aus Holz sind.
Herr Seiler selbst bestätigt in seiner Präsentation einen besseren Dämmstandard im Holzbau bei gleicher Wandstärke. Im Umkehrschluss bedeutet das einen Wohnraumgewinn beim Holzbau durch geringere Wandstärken.
These von Herrn Seiler: Massivhäuser sind mindestens genauso ökologisch wie Holzhäuser
Die Studie der TU Darmstadt, auf die sich gestützt wird, wurde jedoch von dem Verein „Massiv mein Haus e.V.“ beauftragt und bezahlt, nicht wissenschaftlich veröffentlicht und diskutiert und ist veraltet (2008/2010). In der Studie wird z.B. angenommen, dass alle innenliegenden Mineralwolleschichten alle 30 Jahre ausgetauscht werden müssen. Das ist mir noch bei keinem Projekt untergekommen und so nicht richtig, verschlechtert jedoch den Wert der Ökobilanz des Holzbaus im Vergleich zum Massivbau. Laut einer Untersuchung des Landesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2017 schneidet der Ziegelbau bei der Betrachtung der Umweltauswirkungen in Primärenergie für Gebäudeerstellung und Betrieb bei verschiedenen Konstruktionsmaterialien am schlechtesten ab und der Holzrahmenbau um ca. 15 % besser. (Quelle: https://www.lbb-bayern.de/fileadmin/user_upload/C_Dr._Leitschuh.pdf, S. 22).
Herr Seiler selbst gibt an, dass die Zeit inklusive Planungs- und Vorfertigung im Werk bis zur Errichtung des Hauses meist um ca. 2 –3 Monate gegenüber der Massivbauweise unterschritten.
Mindestens genauso wichtig ist aber die Reduktion der Zeit, während der die Materialien ungeschützt der Witterung ausgesetzt sind und daher Schaden nehmen und nicht die Bauzeit incl. Fertigungs- und Planungszeit.
Wie bereits erwähnt, kommen Holzhäuser häufig bei der Errichtung von Einfamilienhäusern zur Anwendung, wo der Schallschutz nur eine untergeordnete Rolle spielt. […] Mit massiven Brettstapel-Decken und schwimmenden Estrich werden in der Regel Schalldämmmaße erreicht, die den Anforderungen an den privaten Wohnungsbau noch genügen.
In der aktuellen Fassung der DIN 4109 Teil 5 vom August 2020 (Herr Seiler bezieht sich meiner Meinung nach auf den Stand von 1989 der seit 2018 nicht mehr aktuell ist) ist der erhöhte Schallschutz bei Schallschutzstufe II mit einem Trittschallpegel Ln,w ≤ 45 dB festgelegt auf vergleichbarem Niveau wie in der VDI 4100 (Ln,w ≤ 44 dB). Dieser Wert kann mit Holzdecken durchaus erreicht werden. Sogar bei Altbausanierungen (laut ift Rosenheim Dr. Ing. Rabold, Schallschutz von Holzbalkendecken – Strategien für die Sanierung, Veröffentlichung Holzbautag Biel 2012) Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, von schweren Schüttungen bis hin zu Holz-Beton-Verbunddecken.
Die Wände notwendiger Treppenräume-, Aufzugschächte und Brandwände sind weiterhin nur aus nicht brennbaren Baustoffen (Mauerwerk oder Beton) zulässig.
Ausführung der Treppenhauswände und des Aufzugsschachtes aus Stahlbeton aus Brandschutzgründen sehen wir nicht als Negativpunkt für den Holzbau. Außerdem wäre, wie beim Beispielgebäude in Kempten, eine Ausführung in einem reinen Holzbau möglich. Ob das wirtschaftlich sinnvoll ist, muss erörtert werden.
Wenn allerdings bei mangelhafter Konstruktion oder falscher Bauausführung hohe Feuchtekonzentrationen über längere Zeit im Holz wirken, sind Schädigungen durch Holz zerstörende Pilze oder Schwämme möglich.
Wir hoffen, dass auf die Auswahl von fähigen Firmen geachtet wird und keine mangelhafte Konstruktion ausgeführt wird. Weder im Holz noch im Massivbau. Wobei im Massivbau dann eben Feuchteschäden mit Schimmelbildung entstehen.
Bei gleichem Aufwand zum Bauunterhalt ist nach meiner Einschätzung und allgemeinen Erfahrungswerten bei Holzhäusern von einer 10 –20 Jahre kürzeren Gesamtnutzungsdauer auszugehen.
Weiter oben schreibt er noch das Gegenteil („In der seit 2012 geltenden Sachwertrichtlinie wird für die Abschätzung der Gesamtnutzungsdauer nicht mehr nach Bauarten, also Holz, Ziegel, Kalksandstein etc., unterschieden“) Laut unserer Recherche beträgt die Gesamtnutzungsdauer sowohl von Holzrahmenbau als auch Massivbau 80-100 Jahre. (Quelle Holzhäuser – Werthaltigkeit und Lebensdauer, Informationsdienst Holz, überarbeitete Fassung 2008, S.28 https://informationsdienst-holz.de/fileadmin/Publikationen/2_Holzbau_Handbuch/R00_T05_F01_Holzhaeuser_Werthaltigkeit_und_Lebensdauer_2008.pdf)
Es ist unbestritten, dass nach Abschluss der Gewährleistungsfrist (nach BGB 5 Jahre) Gebäude mit Holz als überwiegendes Konstruktionsmerkmal, einen höheren Bauunterhalt haben als vergleichbare Massiv-Bauten.
Die Kostentreiber im Bauunterhalt sind Haustechnikkomponenten und haben daher nichts mit der Bauweise zu tun. Bei Außenanstrichen z. B. gibt es mittlerweile diffusionsoffene Anstriche (Keim Farben) die nicht reißen und daher ein vergleichbares Wartungsintervall wie Putzoberflächen (10-15 Jahre) haben. Unbehandelte Holzbekleidungen vergrauen und benötigen so gut wie keine Pflege, solange der konstruktive Holzschutz bei Planung und Ausführung beachtet wurde.
Bei der Hybridbauweise wird mit großem Aufwand versucht, die „natürlichen, physikalischen Grenzen“ des Holzbaus mit Stahlbeton zu kompensieren. Die Hybridbauweise ist eine sehr aufwendige und bisher meist dem Gewerbebau vorbehaltene Bauweise.
Die Holz- und Holzhybridbauweise reizt die Vorteile der jeweiligen Lösung (Wärme- / Schall- / Brandschutz) voll aus. Wände, Stützen und Decken werden in Stahlbetonbauweise errichtet. Die nichttragenden Außenwände als Holztafelbauteile sind bei gleichem Wärmeschutz dünner als vergleichbare Massivkonstruktionen und erhöhen die Flächeneffizienz.
Im vorhin erwähnten Prinz Eugen Park in München gibt es verschieden Abstufungen der Nutzung von Holz mit Beton. Von komplett ohne Beton über nur Treppenhauskern aus Beton, Holz-Beton-Verbunddecken bis hin zur vollen Hybridbauweise (Treppenhauskern und Decken aus Beton). In Neu-Ulm baut die NUWOG in der Münsterblickstraße aktuell mehrere Wohngebäude in Hybridbauweise darunter 40 geförderte Mietwohnungen. Die Hybridbauweise ist also nicht nur für den Gewerbebau oder den hochpreisigen Wohnungsmarkt vorbehalten.
Mit der [Hybrid]Bauweise könnte bei dem geplanten Projekt nur der Energiestandard KfW-Effizienzhaus 70 erreicht
Das wiederum bezweifle ich als Bauphysikerin stark, da für die Berechnung hauptsächlich die Außenhülle und Gebäudetechnik relevant sind und der Aufbau der innenliegenden Wohnungstrenndecken, Stützen und Treppenhauskernen nicht in die Effizienzhausberechnung einfließt. Beruflich habe ich aktuell mit einem Mehrfamilienhaus das als Hybridbauweise ausgeführt wird zu tun, das eine Förderung als KfW Effizienzhaus 55 erreichen wird.
Relevanzverteilung:
Das, was wir jetzt bauen, steht für die nächsten 50-100 Jahre so und wenn man irgendwie was zum Klimaschutz zeitnah beitragen will (Erreichen der Ziele 2030) dann muss man das jetzt ab sofort bei jedem Bau berücksichtigen, der hingestellt wird. Jedes Fünkchen zählt.
Der Holzbau bindet CO2 und hilft damit bei der Verminderung des Treibhauseffekts. Laut einer Studie der TUM bindet ein Einfamilien-Holzhaus 60 Tonnen CO2. Zum Vergleich emittiert ein modernes Kfz rund 1,5 Tonnen CO2/Jahr. Holzhäuser bauen ist also Klimaschutz (Quelle: Bauen mit Holz = aktiver Klimaschutz, Holzforschung München Technische Universität München, 2010)
Als Stadt haben wir genauso wie der Bund und die Länder als Bauherrn Vorbildfunktion! Und wenn das dann 10 % teurer ist, dann ist das so! Da kanns auch nicht die Begründung sein, dass Mehrfamilienhäuser bisher vor kurzen noch nicht so oft in Holzbauweise gebaut wurden.
Außerdem stellt sich uns die Frage, ob die Reihenfolge der Beschlussfassungen so richtig ist. Eine Weiterbeauftragung des Architekturbüros Seiler & Habereder sollte erst nach Beschlussfassung der gewünschten Bauweise erfolgen, da uns die von Herrn Seiler vorgebrachte an einigen Punkten veraltete Information über Holz- und Hybridbauweise daran zweifeln lässt, ob sein Büro das richtige ist um eine Ausführungsplanung im Holzbau fachgerecht und kosteneffizient durchzuführen.
Alternativ könnte auch die schon beauftragte Genehmigungsplanung durchgeführt werden und dann noch einmal Angebote von Architekten eingeholt werden. Wo Herr Seiler sich natürlich wieder bewerben könnte. Die Entscheidung, welches Architekturbüro die Leistungsphasen 5-9 ausführen darf, sollte dann im Stadtrat diskutiert werden und sollte die Expertise im Holzbau berücksichtigen.
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